Zwei zentrale Themen nehmen an Bedeutung zu
In den letzten Jahren haben zwei zentrale Themen die makroökonomischen Analysen unseres Teams geprägt.
- Die Weltwirtschaft ist zunehmend weniger integriert. Es gibt höhere Hürden für grenzüberschreitende Arbeitskraft- und Kapitalströme sowie wachsenden Druck auf die Lieferketten.
- Die politischen Entscheidungsträger scheinen immer weniger bereit zu sein, die erforderlichen schmerzhaften Maßnahmen zu ergreifen, um die Inflation nachhaltig auf das Zielniveau zurückzuführen.
Zusammen genommen verändern diese Trends das makroökonomische Umfeld grundlegend. Die Folgen sind eine höhere und volatilere Inflation, kürzere und weniger stabile Zyklen sowie strukturell höhere Risikoprämien und Renditen.
Abkehr von den etablierten Strategien der Nachkriegszeit
Diese beiden Themen nehmen nun an Bedeutung zu, da sich die USA im Zuge der Umsetzung der „America First“-Agenda der Trump-Regierung aus der Führung der von ihnen gestalteten Währungs- und Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit zurückziehen. Diese Abkehr von den Grundsätzen des freien Güter- und Kapitalverkehrs sorgt für wirtschaftliche, politische und geopolitische Unsicherheit. Unabhängig vom Ergebnis der laufenden Handelsgespräche wird das weltweit größte Verbrauchsland aller Voraussicht nach letztendlich den höchsten effektiven Zollsatz seit den 1930er Jahren auf Einfuhren von seinen Handelspartnern erheben. Unserer Einschätzung nach wird dies:
- die Deglobalisierung beschleunigen. Das Verhältnis zwischen Handel und Warenproduktion wird wahrscheinlich weiter sinken, wodurch sich der Trend der letzten 30 Jahre umkehren wird;
- eine strukturelle Belastung für das Wachstum darstellen, insbesondere in den USA. Ein effektiver US-Handelszollsatz von 10-15% würde das Wachstum in den USA stärker beeinträchtigen als in der übrigen Welt, da er faktisch eine Steuer für die US-Verbraucher darstellt;
- im Laufe der Zeit zu einem negativen Versorgungsschock für alle führen, da die Lieferketten weniger produktiv und teurer werden; und
- längerfristig den Fluss der weltweiten Ersparnisse unterbrechen, die an den US-Finanzmärkten investiert werden, mit einer zunehmenden Umschichtung von Kapital in andere Märkte.
Politische Reaktion mit unbeabsichtigten Folgen
Die Reaktion der politischen Entscheidungsträger auf diese Entwicklungen verstärkt den strukturellen Aufwärtsdruck auf die Inflation noch weiter.
Erstens lockern die Staaten ihre Fiskalpolitik weiter. In den letzten fünf Jahren war die mangelnde Bereitschaft fast aller Regierungen – insbesondere in den Industrieländern – ihre Haushaltsdefizite trotz eines starken nominalen Wachstums und Arbeitslosenquoten auf Rekordtiefs zu reduzieren, vielleicht der wichtigste makroökonomische Datenpunkt. Normalerweise gehen niedrige Arbeitslosenquoten (und ein hohes nominales Wachstum) mit sinkenden Haushaltsdefiziten einher, da sich die Steuereinnahmen verbessern. Eine solche Entwicklung haben die Länder in den letzten Jahren jedoch nicht zugelassen. Stattdessen haben Staaten überall die zyklischen Gewinne ausgegeben.
Nun reagieren sie auf einen „negativen“ Angebots- und Geopolitik-Schock erneut mit einer weiteren Lockerung der Fiskalpolitik (siehe Abbildung 1). Dies wird voraussichtlich zur größten fiskalpolitischen Lockerung seit 2010 führen – mit Ausnahme der Corona-Pandemie natürlich. Positiv zu vermerken ist, dass die Konjunkturmaßnahmen in Ländern wie Deutschland, Japan und China die Inlandsnachfrage ankurbeln und dazu beitragen dürften, die globalen Ungleichgewichte zu verringern. Dies könnte allerdings mit einer strukturell höheren Inflation einhergehen. Im Gegensatz zu 2010, als die Weltwirtschaft mit erheblichen Überkapazitäten und offensichtlichen Problemen wie hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatte, findet die aktuelle fiskalpolitische Lockerung in einer Zeit statt, in der weltweit die Arbeitslosigkeit nahezu auf einem 40-Jahres-Tief und die Kerninflation deutlich über dem Zielwert liegt.