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Zurück in die Zukunft: Der Beginn einer neuen Investment-Ära

Tobias Ripka, CFA, Investment Director
2025-01-31
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Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen des Autors bzw. der Autorin zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert einer Anlage kann gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Investition steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Seit geraumer Zeit deuten unsere Analysen darauf hin, dass wir uns am Beginn eines grundlegenden Umfeldwechsels befinden. Aber gilt diese These noch, nachdem die Inflation und damit die Notwendigkeit einer geldpolitischen Straffung durch die Zentralbanken abzunehmen scheinen? Welche Schlüsse sollten Anleger – wenn überhaupt – daraus ziehen? Im Folgenden erläutere ich meine Einschätzung dazu, weshalb dieses neue Umfeld trotz gegenteiliger Signale Bestand haben dürfte und wie Anleger den vielleicht bedeutsamsten makroökonomischen Umbruch der letzten Jahrzehnte bewältigen können.

Die alten Zeiten sind vorbei

Über weite Strecken der letzten 20 Jahre haben wir in einem Umfeld gelebt, in dem die Inflation weltweit strukturell niedrig war. Dies war auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen, insbesondere auf die Globalisierung und den Aufstieg Chinas zur „Werkstatt der Welt“. In der Folge hat die Weltwirtschaft von äußerst stabilen makroökonomischen Bedingungen profitiert. Im Wesentlichen konnten wir zwei Umfelder beobachten:

  • Wachstum/Keine Inflation: Die Wirtschaft wuchs über einen sehr lange Zeitraum, ohne dass die Inflation nennenswert zunahm. Diese Situation war aus Sicht der politischen Entscheidungsträger ideal, da sie keine politischen Kompromisse erforderte; und
  • Kein Wachstum/Keine Inflation: Wenn die Wirtschaft geringes Wachstum verzeichnete oder eine Rezession durchlief, so geschah dies bei einer immer noch sehr niedrigen Inflation. Die Zentralbanken konnten darauf reagieren, indem sie so viel Liquidität wie möglich in das System pumpten, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Gefahr einer Deflation abzuwenden.

Meiner Meinung nach gehört dieses Szenario in den Industrieländern nun der Vergangenheit an, da die Inflation zurückgekehrt ist – sogar in Japan. Wir erleben seit einigen Monaten eine Disinflation, und die Zentralbanken könnten sogar einige der von den Märkten erhofften Zinssenkungen vornehmen. Meiner Ansicht nach wäre es aber falsch anzunehmen, dass wir wieder auf vertrautes Terrain zurückkehren. Es mag zwar so aussehen und klingen, als ob das letzte Jahr die Anomalie war, ich würde aber argumentieren, dass die 20 Jahre davor die ungewöhnliche Phase waren und Anleger viel mehr darüber lernen können, was die Zukunft bereithalten dürfte, wenn sie einen Blick zurück auf die 1970er Jahre werfen.

Willkommen im neuen (Retro-)Zeitalter

Was können wir also aus den 1970er und in geringerem Maße auch aus den 1980er Jahren lernen? Sie deuten darauf hin, dass wir zu einer Welt mit sehr viel häufigeren und kürzeren Zyklen mit strukturell höherer und volatilerer Inflation zurückkehren. Ich denke, dass die Entwicklung in den nächsten zehn Jahren ähnlich aussehen wird. Dafür sehe ich vor allem zwei Gründe:

  • Deglobalisierung aufgrund von geopolitischen Rivalitäten, Besorgnis über die Fragilität von Lieferketten und der zunehmenden physischen Auswirkungen des Klimawandels; und
  • Höherer Anteil des Arbeitseinkommens am Volkseinkommen, da die Regierungen beabsichtigen, die wachsende Einkommensungleichheit zu bekämpfen.

Beide Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Inflation Bestand haben wird. Die Inflation ist nicht nur strukturell höher, sondern könnte auch volatiler sein als in der jüngeren Vergangenheit, was bedeutet, dass die Politik nun vor einem Zielkonflikt zwischen Wachstumserhalt oder -stimulierung und Inflationsbekämpfung steht. Wenn sich das Wachstum verlangsamt, kann die Inflation zeitweise hoch bleiben und ohne schmerzhafte Anpassungen schwer zu beseitigen sein. Die Zentralbanken werden sich also entscheiden müssen, welches Ergebnis sie weniger fürchten. Die Botschaft aller Zentralbanken in den letzten sechs Monaten war, dass ihr Fokus mehr darauf liegt, eine unnötige Rezession aufgrund einer übermäßigen Straffung und weniger eine hartnäckig erhöhte Inflation zu vermeiden, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Inflation sich länger im System verfestigt.

Dieses neue Paradigma hat beunruhigende Auswirkungen auf die Preise von und die Korrelation zwischen Vermögenswerten. Da die Zyklen immer kürzer und volatiler werden, dürfte insbesondere die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen schwanken, wodurch die Zuverlässigkeit von Anleihen als Absicherungsinstrument in Multi-Asset-Portfolios abnimmt. Auch die Preise von Vermögenswerten werden sich anpassen müssen, und ich rechne damit, dass es zu einer viel stärkeren Differenzierung zwischen den Ländern und sogar zwischen Sektoren und Unternehmen kommen wird. Meiner Meinung nach haben die Märkte die veränderten Rahmenbedingungen noch nicht akzeptiert, da sie immer noch nach den gleichen Regeln verfahren möchten wie in den letzten beiden Jahrzehnten. Dieses Verhalten impliziert, dass Anleger auf potenziell destabilisierende Anpassungen vorbereitet sein sollten, wenn sich die neue Realität in den Marktpreisen niederschlägt. Allgemeiner ausgedrückt: Auch wenn diese neue Ära an alte Zeiten erinnern mag, ist es unwahrscheinlich, dass sie eine exakte Kopie früherer Jahrzehnte sein wird, da der demografische Wandel, geopolitische Rivalitäten, der Klimawandel und die technologische Entwicklung allesamt zu mehr Unsicherheit und Volatilität führen werden.

Den Wandel begrüßen

Diese neue Ära mag beängstigend wirken, da das alte Investmentmodell im Wesentlichen überholt ist, aber sie bietet auch erhebliches Potenzial für vorausschauende Anleger.

Dies ist wahrscheinlich das bislang komplexeste makroökonomische Umfeld, aber auch das spannendste.

Beispielsweise halte ich die aktuellen Prognosen für das Wirtschaftswachstum für zu pessimistisch und erwarte positive Wachstumsüberraschungen. Auch wenn ein Großteil dieses Wachstums (inflationsbedingt) eher nominal als real ist, kann es dennoch attraktive Anlagemöglichkeiten bieten. Um jedoch in dieser neuen Ära erfolgreich zu sein, müssen Anleger meiner Meinung nach genau verstehen, wo wir uns im Zyklus befinden, und die Auswirkungen des breiteren makroökonomischen Umfelds auf ihre Portfoliopositionierung im Blick haben. Da die Zyklen wahrscheinlich kürzer und volatiler werden, wird es auch wichtiger sein, flexibel zu sein. Außerdem erwarte ich eine zunehmende Divergenz zwischen Gewinnern und Verlierern. Dies bedeutet, dass es für Anleger wichtiger denn je ist, die Unternehmen und Emittenten, in die sie investieren, genau zu kennen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein aktives Management, das sich auf fundierte Analysen aus verschiedenen Blickwinkeln stützt, im heutigen Umfeld einen klaren Vorteil bieten kann.

Experte

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Tobias Ripka

, CFA

Investment Director

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