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Weiterentwicklung von Stewardship im Bereich der biologischen Vielfalt: Interaktionsbeispiele

Carolina San Martin, CFA, Director, ESG Research
Sean Caplice, CFA, ESG Analyst
2023-12-31
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Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen der Autoren zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert eines Investments kann gegenüber dem Zeitpunkt des ursprünglichen Investments steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Zunehmende Hinweise darauf, dass die Entwicklung der biologischen Vielfalt erhebliche finanzielle Auswirkungen haben kann, haben bei vielen Interessengruppen – nicht zuletzt bei Anlegern und Verbrauchern – Sorgen geschürt. Die Folge: Änderungen im regulatorischen und rechtlichen Umfeld. Das Wissen über die Auswirkungen des Verlusts an biologischer Vielfalt auf Anlagenkurse, Unternehmenswerte und folglich auch Investmentergebnisse ist noch sehr begrenzt, und angesichts des Mangels an verlässlichen Daten bestehen nach wie vor Hürden für das Ergreifen konkreter, messbarer Maßnahmen. Das ESG-Researchteam von Wellington ist trotzdem davon überzeugt, dass die Marktteilnehmer die Kosten eines Verlusts an biologischer Vielfalt und die mit einem Schutz der Ökosysteme verbundenen Vorteile berücksichtigen und in ihre Entscheidungen einbeziehen sollten. 

Das Team möchte daher die biologische Vielfalt in unseren Research- und Stewardship-Ansatz integrieren – wie wir dies heute bereits mit dem Klimawandel tun. Und wie beim Klimawandel bevorzugen wir einen direkten Dialog als Hauptinstrument, um Unternehmen und Emittenten dabei zu helfen, sich ein besseres Verständnis der damit verbundenen Risiken und Chancen zu verschaffen. Auch bei der Ausübung von Stimmrechten berücksichtigen wir, wie Unternehmen die erheblichen mit der biologischen Vielfalt verbundenen Risiken adressieren, und wir werden unseren Ansatz für dieses komplexe Thema kontinuierlich weiterentwickeln. Nachfolgend stellen wir einige aktuelle Beispiele für unsere Bemühungen vor, die Risiken von Unternehmen im Hinblick auf die biologische Vielfalt zu analysieren und ihre Pläne zur Minderung dieser Risiken besser zu verstehen. 

Unser Stewardship-Ansatz zum Thema biologische Vielfalt

Der Stewardship-Ansatz des ESG-Researchteams zum Thema biologische Vielfalt nutzt auch unsere Kooperation mit dem Woodwell Climate Research Center. Die wissenschaftlichen Daten und Einblicke, die wir im Rahmen unserer Partnerschaft mit Woodwell erhalten, bilden den Ausgangspunkt für unser Verständnis der Bedeutung der biologischen Vielfalt für die von uns verwalteten Kundenportfolios. Was unser ESG-spezifisches Engagement anbelangt, setzt das Team in erster Linie auf einen Dialog mit Unternehmen, die unserer Einschätzung nach erheblichen Finanzrisiken in Verbindung mit der biologischen Vielfalt ausgesetzt sind. Dabei handelt es sich vor allem um solche, die in ihren betrieblichen Abläufen oder Lieferketten in hohem Maße auf Ökosystemleistungen angewiesen sind. Unsere Interaktionen mit Unternehmen zielen in erster Linie darauf ab, Änderungen herbeizuführen und das langfristige Wertschöpfungspotenzial zu erhalten. Aus unserer Sicht ist dies die konstruktivste Möglichkeit, das Wertpotenzial unserer Kundenportfolios zu steigern und Risiken zu verringern. Wir sind davon überzeugt, dass aktive Manager ihre Einflussnahme auf Unternehmen verstärken können, indem sie auf die Erkenntnisse von Researchteams mit Experten für branchenspezifische Fundamentalanalysen, klimawissenschaftlichen Partnern und ESG-Experten zurückgreifen. Im Rahmen eines Dialogs über die Nutzung von Land und Wasser (zwei der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt) können Anleger auch auf verschiedene Rahmenwerke zurückgreifen, z.B. die Deforestation-Free Finance Sector Roadmap von Global Canopy oder auch das Investor Water Toolkit von Ceres. 

Beispiele für unser Abstimmungsverhalten und unseren direkten Dialog mit Unternehmen

  • Unser Team hat sich mit der Leitung eines großen Einzelhandelsunternehmens für Heimwerkerbedarf in Verbindung gesetzt, um das Problem der Abholzung in seiner Lieferkette anzugehen und bestimmte Praktiken, bei denen das Unternehmen hinter der Konkurrenz zurückbleibt, zu verbessern. Wir haben das Unternehmen angeregt, bewährte Verfahren für die Offenlegung und Zertifizierung von Forstprodukten einzuführen. Außerdem haben wir auf der Jahreshauptversammlung 2022 für einen auf das Thema Abholzung fokussierten Aktionärsantrag gestimmt, der von 55% der Stimmen unterstützt wurde. Das Unternehmen hat sich seitdem verpflichtet, seine Aktivitäten an CDP Forests zu melden.  
  • Wir haben uns mehrmals mit einem multinationalen Konsumgüterhersteller getroffen, um sowohl das Tempo als auch das Ausmaß seiner Bemühungen zur Bekämpfung der Abholzung von Wäldern zu erhöhen. Wir haben diese Auffassung auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass wir im Jahr 2020 einen Aktionärsantrag zur Bekämpfung der Entwaldung unterstützt haben, der mit einer Mehrheit von 67% angenommen wurde. Im Rahmen unseres regelmäßigen Dialogs bitten wir das Unternehmen um Belege für kontinuierliche Verbesserungen in seinen Lieferketten für Zellstoff und Palmöl, zwei seiner wichtigen Produktionsfaktoren. Bislang hat das Unternehmen den Umfang seiner Offenlegung erhöht und sich stärker zur FSC-Zertifizierung verpflichtet. Außerdem ist es für das Feedback seiner Aktionäre offener geworden.  
  • Nach besorgniserregenden Schlagzeilen über die schädlichen und alles andere als nachhaltigen Praktiken eines Palmöl-Lieferanten haben wir uns mit einem anderen großen Konsumgüterunternehmen über dessen direkte und indirekte Verbindungen mit diesem Lieferanten unterhalten. Wir wollten die alternativen Beschaffungsmöglichkeiten des Unternehmens ermitteln und herausfinden, ob es diese Optionen bereits ausgelotet hatte. Im Rahmen unserer Gespräche haben wir eine positivere Einschätzung zur Art und Weise, wie dieses Unternehmen die mit umstrittenen Rohstoffen verbundenen Risiken in seiner gesamten Lieferkette steuert, entwickelt. Allerdings ist dies ein Thema, das wir nach wie vor genau im Auge behalten.  
  • Wir haben mit einem Forstexperten eines Konsumgüterunternehmens gesprochen, das seine Materialien teilweise aus den borealen Wäldern Kanadas bezieht. Wir konnten so unser Verständnis für den Zellstoffbeschaffungsprozess des Unternehmens verbessern und es dazu anregen, sich in seinen Richtlinien stärker an den innerhalb der Branche bewährten Praktiken zu orientieren und die Transparenz im Hinblick auf entsprechende Leistungskennzahlen zu erhöhen. 
  • Nach mehreren Gesprächen mit einem führenden Agrarunternehmen freuen wir uns, dass es den Erhalt der biologischen Vielfalt in seine Geschäftsstrategie aufgenommen hat. Das Unternehmen betrachtet den verantwortlichen Umgang mit seinem Ökosystem zunehmend als Wettbewerbsvorteil und erhöht stetig seine Investitionen in die Rückverfolgbarkeit seiner Lieferkette. Parallel zu unserem Dialog hat das Unternehmen sein Engagement für die Vermeidung von Abholzung verstärkt. 
  • Wir haben uns mit einem führenden Reifenhersteller in Verbindung gesetzt, um bessere Einblicke in sein Lieferkettenmanagement zu erhalten, wobei unser Schwerpunkt insbesondere auf der verantwortungsvollen Beschaffung von Naturkautschuk lag. Die Lieferkette für Kautschuk ist intransparent und stark fragmentiert, weshalb sie sich nur schwer überprüfen lässt. Dieses Unternehmen setzt verschiedene Risikobewertungsinstrumente ein, um dem Problem der Abholzung entgegenzuwirken. So hat es beispielsweise ein App-gestütztes System zur Abbildung von Risiken entwickelt, das die Angaben seiner Lieferanten mit Satellitenbildern von Nichtregierungsorganisationen abgleicht. Außerdem ist das Unternehmen Partnerschaften mit lokalen Forschungseinrichtungen eingegangen, die es über mögliche Abholzungsaktivitäten informieren können. Das Unternehmen räumt ein, dass die Reifenindustrie das Tempo, mit dem die Probleme in der Lieferkette für Naturkautschuk angegangen werden, erhöhen muss. Wir werden den Dialog zu diesem Thema fortsetzen und die Fortschritte hinsichtlich der Verringerung der Mengen an beschafftem Naturkautschuk genau im Auge behalten. 
  • Wir haben uns mit Vertretern des Klimaministeriums eines Entwicklungslandes mit großer biologischer Vielfalt getroffen. Unser Ziel war es, mehr über ihre Bemühungen zum Schutz von Gewässern und Wäldern zu erfahren und Finanzinstrumente zu diskutieren, die mit der biologischen Vielfalt verknüpft sind und dem Land helfen können, seine Naturräume zu schützen. Die Delegierten erläuterten, wie stark der wirtschaftliche Wohlstand des Landes mit der Natur verbunden ist, und wiesen auf bisher ergriffene Naturschutzmaßnahmen wie etwa die Ausweisung von Naturschutzgebieten hin. Wir erkundigten uns nach der Vereinbarkeit von Naturschutzmaßnahmen mit umfassenderen gesellschaftlichen Bedürfnissen und erörterten die mögliche Zusammenarbeit mit internationalen Kapitalgebern und multinationalen Entwicklungsbanken. Außerdem wiesen wir auf das erhöhte Marktinteresse an Anleihen mit Bezug zur biologischen Vielfalt hin. Die Vertreter empfanden unser Feedback als nützlich und arbeiten aktuell an der Strukturierung von Instrumenten, die mit biologischer Vielfalt verbunden sind und möglicherweise Investitionen des privaten Sektors anziehen könnten.

Beispiele für Fragen bei Interaktionen mit Unternehmen zum Thema biologische Vielfalt

Bewusstseinsbildung, Governance und Strategie

  • Wie bewerten Sie Ihre Risiken in Verbindung mit der biologischen Vielfalt?
  • Wer in Ihren Lenkungs- und Kontrollgremien ist für die Überwachung der Risiken im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt zuständig?
  • Wie beziehen Sie Überlegungen zur biologischen Vielfalt in Ihre betrieblichen Entscheidungen ein?
  • Welche Rolle spielt die biologische Vielfalt bei Ihren aktuellen Klimazielen? Welche Leistungsindikatoren sind für Ihr Unternehmen am wichtigsten?

Richtlinien, Planung und Betrieb

  • Welche Richtlinien und Verfahren haben Sie für den Umgang mit Risiken im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt eingeführt?
  • Wie berücksichtigen Sie das Risiko eines Verlusts von biologischer Vielfalt oder natürlichen Ressourcen bei Ihren Investitionsplänen?
  • Welche Anreize setzen Sie für Ihre Teams in den Bereichen Produktdesign, Beschaffung und Einkauf, um die Risiken im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt zu berücksichtigen und zu mindern?
  • Welche Ihrer Standorte und Zulieferer sind erheblichen Risiken durch den Verlust der biologischen Vielfalt ausgesetzt?
  • Wer sind Ihre wichtigsten Interessengruppen im Bereich der biologischen Vielfalt, und wie arbeiten Sie mit ihnen zusammen?
  • Wie arbeiten Sie mit lokalen Gemeinschaften zusammen, die möglicherweise vom Verlust der biologischen Vielfalt betroffen sind? 

Abschließende Bemerkungen

Regulierungsbehörden und Regierungsstellen wie etwa die Europäische Kommission haben inzwischen begonnen, Maßnahmen zum Schutz und zur Verhinderung der Verschlechterung von Ökosystemen zu ergreifen. Derzeit werden im US-Kongress mehrere Gesetzentwürfe zur Bekämpfung des Verlusts der biologischen Vielfalt diskutiert. Gleichzeitig nimmt die Besorgnis von Verbrauchern und Anlegern über die möglichen negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Verlusts an biologischer Vielfalt zu. Das ESG-Researchteam von Wellington ist der Meinung, dass sowohl Unternehmen und Emittenten als auch Anleger die finanziellen Auswirkungen des Verlusts der biologischen Vielfalt nicht mehr außer Acht lassen können. Im Rahmen unserer Stewardship-Aktivitäten für die Sensibilisierung zum Thema biologische Vielfalt und die Verminderung der damit verbundenen Risiken werden wir weiterhin in erster Linie auf einen direkten Dialog mit den betreffenden Unternehmen setzen. 

Experten

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Carolina San Martin

, CFA

Director, ESG Research
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Sean Caplice

, CFA

ESG Analyst