Die Straffung der Geldpolitik hat die erste beinahe systemische Krise in diesem Zyklus ausgelöst, da der massive Abzug von Einlagen bei zwei Regionalbanken in den USA (SVB und Signature) und der erzwungene Verkauf der Credit Suisse an die UBS das Vertrauen in das globale Finanzsystem erschüttert haben. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels hatten die Behörden den Abfluss von Einlagen durch eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität und zum Schutz der Einleger gestoppt. Doch angesichts der Verwerfungen, die sich infolge der höheren Zinsen abzeichnen, lohnt es sich, die Investment-Landschaft einer Neubewertung zu unterziehen. Wir glauben, dass die Wirtschaft und die Märkte in den kommenden Monaten vor ihrer größten Bewährungsprobe stehen.
Auch wenn die Details der Bankenausfälle jeweils unternehmensspezifisch sein mögen, werden die jüngsten Ereignisse wahrscheinlich zu einer Verschärfung der Kreditbedingungen führen und die Aktivitäten von Unternehmen und Verbrauchern dämpfen. Gleichzeitig muss sich der Transmissionseffekt der beispiellosen Zinserhöhungen der Fed in der Realwirtschaft erst noch voll entfalten. Die Unsicherheit wird überwiegen, da geldpolitische Entscheidungen eine Einschätzung der wirtschaftlichen Dynamik erfordern, die sich in den aktuellen Daten noch nicht widerspiegelt. Unseres Erachtens ist eine Rezession wahrscheinlicher geworden und könnte früher eintreten, als wir noch im letzten Quartal angenommen hatten.
Wir gehen davon aus, dass die Volatilität hoch bleiben wird und sich risikoreiche Anlagen schwer tun werden. Unsere allgemeine Einschätzung der Anlageklassen bleibt daher eher defensiv. Wir halten eine moderate Untergewichtung globaler Aktien weiterhin für angebracht, da die aktuellen Bewertungen eine übermäßig optimistische Einschätzung der Wirtschaftslage widerspiegeln. Angesichts des Risikos höherer Korrelationen zwischen den regionalen Aktienmärkten haben wir unsere Empfehlung einer Untergewichtung Europas auf eine moderate Untergewichtung reduziert und einer Übergewichtung Japans in eine moderate Übergewichtung geändert. Wir favorisieren weiterhin China und die asiatischen Aktienmärkte, die von der Wiedereröffnung Chinas sowie von günstigeren Ölimporten profitieren dürften. Staatsanleihen haben zu einer Rally angesetzt. Wir sehen jedoch weiteres Aufwärtspotenzial, insbesondere in den USA, was neben den attraktiven Renditen auch auf die gestiegene Wahrscheinlichkeit zurückzuführen ist, dass die US-Notenbank vor dem Hintergrund einer potenziellen Rezession in den USA in der zweiten Jahreshälfte 2023 zu Zinssenkungen übergehen wird. Die Spreads haben sich ausgeweitet, aber noch nicht auf ein Niveau, das Rezessionsrisiken widerspiegelt. Wir würden wachstumsorientierte Rentenwerte weiterhin untergewichten, insbesondere High-Yield-Anleihen und Senior Secured Loans. Rohstoffe würden wir weiterhin leicht übergewichten, wobei sich unser Schwerpunkt von Öl auf Gold verlagert hat.
Das Aufwärtsrisiko für unsere insgesamt defensive Einschätzung ist eine „sanfte Landung“, bei der sich die Bankenpleiten dank der ausgeweiteten Zentralbankbilanzen als Einzelfälle erweisen, die Kreditbedingungen gerade so weit gestrafft werden, dass Nachfrage und Inflation gedrosselt werden, die Fed eine übermäßige Straffung vermeidet und eine Rezession abgewendet wird. Dieses Szenario ist möglich, aber unseres Erachtens unwahrscheinlich. Tatsächlich könnte ein augenscheinlich positives Ergebnis wie dieses den Grundstein für ein hartnäckigeres Inflationsproblem und eine schwierigere Herausforderung für die Zentralbanken legen.
Aktien: Die Bewertungen sind zu hoch, aber es gibt auch vereinzelte Chancen
Wir befürworten weiterhin eine leichte Untergewichtung globaler Aktien. Die Probleme im Bankensektor hatten bisher vor allem spezifische Auswirkungen auf Bankaktien und Credit Spreads. Ein generelles Übergreifen auf alle Risikoanlagen ist bisher ausgeblieben. Wie bereits erwähnt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession unseres Erachtens gestiegen, und eine Verschärfung der Kreditbedingungen dürfte sowohl die Kreditvergabe als auch die Ausgaben von Unternehmen und Verbrauchern dämpfen.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis globaler Aktien liegt derzeit bei rund 15x (auf Basis der Gewinne der nächsten zwölf Monate)1, und für die kommenden zwölf Monate wird ein Gewinnwachstum im mittleren einstelligen Bereich erwartet. Die Tatsache, dass diese Kennzahlen so hoch sind, deutet darauf hin, dass das Basisszenario des Marktes noch keine Rezession vorsieht. Zudem zeichnen die Bewertungen an den Aktienmärkten ein anderes Bild als am Rentenmarkt – gegenüber dem heutigen Niveau spiegelt die Fed Funds Rate-Kurve bis Ende 2024 Zinssenkungen in Höhe von rund 190 Basispunkten wider.2
Der Druck auf die Bewertungen wird zunehmen, wenn sich die Zentralbanken – wie von uns erwartet – gezwungen sehen, sich zwischen der Eindämmung der Inflation und der Bekämpfung der finanziellen Instabilität in einem Umfeld, in dem die Inflation weiterhin zu hoch ist, zu entscheiden. Die Margen werden sowohl durch die weiterhin angespannte Arbeitsmarktlage als auch durch die sich abzeichnende konjunkturelle Abkühlung unter Druck geraten. Der jüngste sprunghafte Anstieg der Rückstellungen (Differenz zwischen Nettogewinn und operativem Cashflow) deutet ebenfalls auf das Risiko negativer Gewinnkorrekturen und geringerer Rückkäufe hin. Die jüngsten Vorgaben der Unternehmen sind vorsichtiger geworden, wie das Verhältnis von negativen zu positiven Vorankündigungen im S&P 500 Index zeigt.
Unter den verschiedenen Regionen schätzen wir die Aussichten für chinesische Aktien am günstigsten ein. Wir gehen davon aus, dass die Ausgaben der Verbraucher und der privatwirtschaftlichen Unternehmen die begrenzten politischen Impulse ausgleichen werden. Das Geschäftsklima verbessert sich und Verbraucherumfragen zeigen, dass die meisten Einkommensklassen höhere Ausgaben planen. Insgesamt halten wir die Konsenserwartungen für das Wachstum in China in diesem Jahr für zu niedrig. Zudem sind wir der Meinung, dass die niedrige Korrelation zwischen China und anderen Regionen das Land aus Portfoliokonstruktionsperspektive attraktiv macht. Die Tatsache, dass der US-Dollar im Zuge der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor nicht an Stärke gewonnen hat, ist ebenfalls hilfreich für die relative Performance Chinas und der Emerging Markets außerhalb Chinas.
In Japan deuten die jüngsten Daten auf einen Aufholprozess bei der Inflation im Dienstleistungssektor hin, wobei im Zuge der Lohnverhandlungen die höchsten Lohnerhöhungen seit 20 Jahren ausgehandelt wurden. Die Rally an den globalen Rentenmärkten hat der Bank of Japan (BoJ) mehr Spielraum für eine Anhebung der Obergrenze für die Rendite 10-jähriger Anleihen gegeben.
In den USA sehen wir keine direkten Risiken durch systemrelevante Großbanken, konzentrieren uns jedoch auf mögliche zyklische Auswirkungen, wenn Unternehmen mit verschärften Kreditvergabebedingungen konfrontiert werden. Die Normalisierung der Margen und die im Vergleich zu anderen Märkten höheren Bewertungen (verglichen mit historischen Daten) belasten die USA ebenfalls. Die Tatsache, dass wir unsere Untergewichtungsempfehlung für Europa reduziert haben, ist auf die jüngste Verbesserung der makroökonomischen Bedingungen und den Rückgang der Energiepreise zurückzuführen. Dennoch sind die Unternehmen und die Wirtschaft der Region anfällig für makroökonomische Folgewirkungen der strengeren Kreditvergabestandards, die in der jüngsten Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) zu den Kreditbedingungen signalisiert wurden. Zudem ist die Kerninflation nach wie vor überraschend hoch, was die EZB bei der Abwägung zwischen Inflation und angespannten Finanzierungsbedingungen zusätzlich in Bedrängnis bringt.
Auf Sektorebene bevorzugen wir defensive Sektoren wie Versorger und Basiskonsumgüter sowie Aktien im Bereich natürliche Ressourcen. Vor dem Hintergrund sinkender Zinsen haben sich Technologiewerte und defensive Titel überdurchschnittlich entwickelt. Wir erwarten jedoch eine weitere Normalisierung der Margen, nachdem die Unternehmen während der Pandemie zu stark investiert haben. Banken werden voraussichtlich mit Belastungen durch steigende Refinanzierungskosten, eine verringerte Rentabilität aufgrund von Bilanzverschlechterungen in bestimmten Wirtschaftszweigen und eine mögliche Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen für regionale US-Banken konfrontiert sein (Abbildung 1). Angesichts der Marktverschiebungen und Umstrukturierungen im Bankensektor gibt es jedoch Raum für Gewinner und Verlierer, was potenzielle Chancen für aktive Fondsmanager schafft.