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Wie ist der jüngste Kurswechsel der japanischen Zentralbank zu deuten?

Marco Giordano, Investment Specialist
2024-08-31
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Seitdem die japanische Zentralbank (Bank of Japan, BoJ) im Dezember 2022 ihr Reglement zur Kontrolle der Zinsstrukturkurve geändert hat, erwarten die Anleger eine weitere Normalisierung der Geldpolitik. Die Ernennung von Kazuo Ueda zum Chef der BoJ im Februar und sein Amtsantritt im April hatten Spekulationen über eine bevorstehende Neuausrichtung aufkommen lassen. Die Anleger wurden jedoch enttäuscht, da die BOJ ihre expansive Politik fortsetzte. Nun hat die BoJ eine weitere Anpassung angekündigt, die der Wendepunkt sein könnte, auf den die Märkte gewartet haben. Der Schritt könnte erhebliche Auswirkungen auf Anleger weltweit haben. Nachfolgend gehen wir näher auf die Gründe dafür ein.

Was hat sich verändert?

Die jüngste geldpolitische Erklärung stellt einen formellen und wichtigen Schritt in Richtung Normalisierung dar, der vor folgendem Hintergrund zu sehen ist:

  • Das Lohnwachstum in Japan hat ein Niveau erreicht, das zuletzt 1994 verzeichnet wurde;
  • Die Gesamtinflation liegt derzeit über dem Niveau der USA; und 
  • Der Dienstleistungssektor zeigt eine starke Dynamik. 

Zum ersten Mal hat die BoJ sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsrisiken für die Inflation erwähnt, und obwohl die erwartete Spanne für die Zinsstrukturkurve technisch unverändert bei ±0,50% liegt, hat die BoJ bestätigt, dass sie Renditen von bis zu 1% zulassen wird.

Warum ist das wichtig?

Die Kontrolle der Zinsstrukturkurve ist ein wesentliches Element der japanischen Geldpolitik. Dabei versucht die BoJ, die Rendite japanischer Staatsanleihen mit Laufzeiten bis zu 10 Jahren durch Anleihenkäufe am offenen Markt zu steuern. Erklärtes Ziel dieser Politik ist die Bekämpfung der Deflation und die Förderung der Inflation. Die BOJ verfolgt seit langem explizit das Ziel, mit einem „bewusst unverantwortlichen“ geldpolitischen Maßnahmenmix das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Inflation in die japanische Wirtschaft zurückzubringen. 

Der formelle Kurswechsel der BOJ ist ein erstes Eingeständnis der politischen Entscheidungsträger, dass die Inflation in die japanische Wirtschaft zurückkehrt. Während die Inflation weltweit gegenüber den hohen Werten des Vorjahres allmählich zurückgeht, steigen die Preise in Japan weiter an. So legte der Verbraucherpreisindex für Tokio zuletzt überraschend auf 4% zu und erreichte damit den höchsten Stand seit 1982. 

Die faktische Ausweitung des Zielbands für die Zinsstrukturkurvenkontrolle dürfte die Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen deutlich nach oben treiben – seit der Ankündigung haben die Renditen bereits ein Niveau erreicht, das zuletzt 2014 zu beobachten war. Während die BOJ weiterhin auf die Notwendigkeit finanzieller Stabilität bedacht ist und das Tempo der Zinsanpassung auf 1% genau beobachten wird, herrscht am Markt Einigkeit darüber, dass eine solche Anpassung inzwischen nahezu unvermeidlich ist. 

Im Laufe der Zeit könnte dies auch eine Stärkung des japanischen Yen (JPY) zur Folge haben, der zuletzt an Wert verloren hatte (Abbildung 1). Im Oktober 2022 führte die unveränderte Haltung der BoJ sogar dazu, dass der USD/JPY-Wechselkurs die psychologisch wichtige Marke von 150 JPY überschritt, was das Finanzministerium dazu veranlasste, die Währung durch umfangreiche Eingriffe in den Markt zu stützen. Auf kurze Sicht könnten wir jedoch eine anhaltende Schwäche des JPY erleben, da die Währung zu einer Art Ventil für die anhaltenden Unterschiede zwischen der japanischen Politik und dem Rest der Welt wird.

Abbildung 1
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Welche breiteren Auswirkungen sind zu erwarten?

Unseres Erachtens hat diese Neuausrichtung der Politik mehrere weiterreichende Konsequenzen für die Anleger, insbesondere:

  • Anhaltende Unterstützung für japanische Anlagen: Die Prognosen unseres Teams deuten darauf hin, dass das nominale Wachstum in Japan in den kommenden Jahren 4% bis 6% erreichen könnte, was bedeutet, dass die geänderte Politik weiterhin sehr locker bleibt und japanische Vermögenswerte, insbesondere Aktien, begünstigt. 
  • Niedrigere Hürde für höhere globale Renditen: Die größten Auswirkungen werden wahrscheinlich an den globalen Rentenmärkten zu spüren sein. Diese verlieren ihren wichtigsten Anker, da die Zinsen für japanische Staatsanleihen von nun an wahrscheinlich steigen werden. Wir haben bereits gesehen, dass die Zinsen deutscher Bundesanleihen, die in der Vergangenheit als zweiter wesentlicher Anker der Rentenmärkte gedient haben, im Laufe des Jahres 2022 deutlich gestiegen sind. Abbildung 2 zeigt, wie stark sich die japanischen Renditen vom Rest der Welt abgekoppelt haben. Mit dem deutlichen Anstieg der Renditen japanischer Staatsanleihen ist ein weiteres wichtiges Hindernis für höhere Renditen weltweit aus dem Weg geräumt.
Abbildung 2
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  • Umkehr der Kapitalströme: Japanische Anleihen werden für inländische Institutionen, die in großem Umfang in internationale Anleihen und Aktien investieren, allmählich attraktiver werden. Mit der Zeit könnten sich diese Investoren von den internationalen Märkten zurückziehen und wieder in den heimischen japanischen Markt investieren. Sollte diese wichtige globale Kapitalquelle versiegen, könnte dies zu höheren Finanzierungskosten und niedrigeren Bewertungen an anderen Märkten führen.
  • Potenziell steilere Kurven: Parallel dazu haben Zentralbanken wie die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank begonnen, expansivere Töne anzuschlagen, obwohl es wenig Anzeichen dafür gibt, dass ihre Volkswirtschaften auf dem Weg sind, die Inflation nachhaltig auf ihr Zielniveau zurückzuführen. Da die Zinsen am kurzen Ende der Kurve in Japan nach wie vor niedrig sind und sich im Rest der Welt möglicherweise auf einem Plateau einpendeln, könnte sich das lange Ende der globalen Zinsstrukturkurven nach oben bewegen, wenn sich höhere Inflationserwartungen verfestigen.

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Marco Giordano

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