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Was ist wohl die nächste Krise? Einschätzung zu den Implikationen der SVB-Krise

Nanette Abuhoff Jacobson, Global Investment and Multi-Asset Strategist
2024-03-31
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Stand: 14. März 2023

Innerhalb weniger Tage hat der kumulative Effekt der geldpolitischen Straffungsmaßnahmen der US-Notenbank Fed den Bankensektor in den USA in eine Krise gestürzt, die mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) am 10. März ihren Anfang nahm.

Seitdem haben die Einleger in verschiedenen Banken panikartig ihr Kapital abgezogen und eine Liquiditätskrise in Gang gesetzt, durch die sich einige Banken nun in einer prekären Kapitalposition befinden. Die Fed und das US-Finanzministerium haben schnell Schritte unternommen, um das Bankensystem zu stabilisieren, indem Liquidität bereitgestellt und den betroffenen Sparern der Schutz ihrer Einlagen zugesichert wurde. Am vergangenen Wochenende wurden verschiedene neue Fazilitäten angekündigt, um die „Liquiditätsklemme“ zu mildern und weitere Anstürme auf Banken zu verhindern.

Die Finanzmärkte werden nun jedoch von wachsenden Anlegersorgen in Mitleidenschaft gezogen: Hiervon haben als sicher wahrgenommene Anlagen profitiert, die Erwartungen für weitere Fed-Zinserhöhungen sind praktisch auf null zurückgegangen, Staatsanleiherenditen sind gesunken, Credi-Spreads haben sich ausgeweitet und der US-Dollar (USD) hat zugelegt. Die globalen Aktienmärkte zeigen derweil einen Rückgang, wobei Small-Cap-Aktien bislang die schwächste Entwicklung verzeichnet haben.

Die Situation verändert sich sehr schnell, genau wie die potenziellen wirtschaftlichen und marktspezifischen Implikationen. Bei Wellington sind wir nicht immer einer Meinung, wir führen aber lebhafte Diskussionen über die verschiedenen Aspekte und Auswirkungen. Nachstehend finden Sie einige wichtige Punkte auf Basis unserer letzten internen Gespräche. Eine Mehrheit scheint beispielweise der Meinung zu sein, dass auf kurze Sicht eine US-Rezession nun wahrscheinlicher ist. Viele sind außerdem der Ansicht, dass Anleger darüber nachdenken sollten, in einen „Risikomanagementmodus“ mit Fokus auf Anlagen mit höherer Qualität zu wechseln.

  • Der Auslöser für diese Situation war eine Liquiditätskrise: Die angespannte Liquiditätssituation, die mit dem Ansturm der Anleger auf die SVB ihren Anfang nahm, hat sich inzwischen auf weitere regionale US-Banken ausgeweitet, insbesondere solche mit besonders starker Abhängigkeit von Kundeneinlagen. Dieser Entwicklung liegt eigentlich ein Missverhältnis zwischen den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten der Banken zugrunde: Die Einleger möchten ihr Kapital abziehen (kurzfristige Verbindlichkeiten) und zwingen die Banken, Wertpapiere aus ihren Anlageportfolios (langfristige Vermögenswerte) zu hohen Verlusten (aufgrund des Anstiegs der Zinsen um 300 Basispunkte in den letzten zwei Jahren) zu verkaufen.
  • Liquiditätsprobleme können zu Kapitalproblemen werden: Große, nicht realisierte Verluste in den Wertpapierportfolios bestimmter Banken dürften ein weiter verbreitetes Problem sein. Diese Verluste haben die Sorgen der Banken, gegebenenfalls nicht über ausreichend Kapital für eine normale Betriebstätigkeit zu verfügen, angefacht. Ich erwarte daher als nächsten Schritt zur Stärkung der US-Bankenbranche robuste Kapitalbeschaffungsmaßnahmen. Angesichts der Größe der Bankenportfolios in Kombination mit den voraussichtlichen Verlusten durch steigende Zinsen rechne ich mit einem Kapitalbedarf von überschaubaren USD 50-100 Mrd.
  • Die Zinsmargen und Rentabilität vieler Banken werden unter Druck stehen: Die Geschäftskosten der Banken werden aufgrund angespannterer Finanzierungsbedingungen und als direkte Folge der erforderlich gewordenen Anhebung der Einlagensätze für Bankkunden steigen. Die Nettozinsmargen und vermutlich auch die Rentabilität vieler Banken dürften daher sinken. Dies könnte die fortgesetzte Lebensfähigkeit kleinerer und anfälligerer Banken, die in der Regel nur regionalen Zugang zu Kundeneinlagen haben, infrage stellen.
  • Dies könnte Auswirkungen auf das breitere Kreditumfeld haben: Da das Bankensystem zentral für den Kredittransmissionsmechanismus ist, dürften die Probleme vieler Banken breitere Auswirkungen haben, u.a. restriktivere Kreditvergabebedingungen (die sich bereits deutlich im Zug der Zinserhöhungen der Fed verschärft hatten). Strengere Kreditvergabebedingungen könnten sich wiederum auf die tatsächlichen Kreditvergabevolumina auswirken. Dies ist ein zyklisches Risiko, das die US-Konjunktur belasten und somit die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erhöhen könnte.
  • Die Fed dürfte je nach Bedarf reagieren: Striktere Kreditvergabebedingungen haben in der Regel einen disinflationären Effekt, was der Fed Spielraum verschaffen würde, um bei Umfang und Geschwindigkeit ihrer Zinserhöhungen auf die Bremse zu treten. Ich bin relativ sicher, dass die Fed der Wachstumsstimulierung einen höheren Stellenwert als der Inflationsbekämpfung einräumen wird, falls sie ein Risiko für eine Destabilisierung des Finanzsystems durch die aktuelle Bankenkrise sieht. Die Märkte preisen derzeit gerade mal noch eine Zinserhöhung um 25 Bassipunkte ein, gefolgt von Lockerungsmaßnahmen von fast 75 Basispunkten bis zum Jahresende. Die Märkte könnte jedoch enttäuscht werden, falls die Maßnahmen zur Bereitstellung von Liquidität die negativen Folgen der aktuellen Ereignisse eindämmen können.
  • Was ist mit dem Rest der Welt?: Die Entwicklung ist definitiv recht unterschiedlich je nach Region. Beispielweise erscheint die chinesische Wirtschaft recht gut gut abgeschirmt gegen die aktuellen US-Turbulenzen und profitiert (wie auch andere asiatische Volkswirtschaften) von ihrer kürzlichen Öffnung nach der Pandemie. Europa und Japan könnten ebenfalls verglichen mit den USA eine Verbesserung zeigen, besonders falls der USD etwas an Glanz verliert und die Fed weniger restriktiv wird. Ob diese Szenarien eintreten, wird insbesondere davon abhängen, ob sich die Liquiditätsbedingungen in den USA weiter verschlechtern und das globale Wachstum bremsen.

Anlageimplikationen

Auf kurze Sicht dürfte das Umfeld meines Erachtens durch Risikoaversion geprägt sein, weshalb weniger risikoreiche Anlagen eine bessere Performance zeigen sollten. Finanzwerte und andere vom Konjunkturzyklus abhängige Sektoren dürften die größten Schwierigkeiten haben. Ich gehe außerdem davon aus, dass Large Caps eine bessere Performance als Small Caps und Growth-Titel eine bessere Entwicklung als Value-Titel zeigen werden. China und andere asiatische Märkte, deren Entwicklung an die Erholung Chinas gekoppelt ist, dürften meiner Ansicht nach besser als die USA und Europa abschneiden.

Längerfristig sehe ich Anlagechancen. Insbesondere denke ich, dass Qualitätswerte langfristig belohnt werden könnten, z.B. große US-Geschäftsbanken, die über reichlich Kapital verfügen und strikteren Regulierungsvorschriften unterworfen waren als kleinere Banken. Bestimmte US-Rentenanlagen mit hoher Qualität könnten ebenfalls relativ attraktives Rendite- und Gesamtertragspotenzial bieten, falls es zu einem Konjunkturabschwung kommt. Ein Risiko besteht darin, dass die Fed durch ihre Liquiditätsmaßnahmen zwar eine ausgewachsene Finanzkrise abwenden kann, aber die Inflation anheizt, was dann längerfristig mehr Zinserhöhungen erforderlich machen würde. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb ich Anlagen mit höherer Qualität empfehlen würde.

Mein Fazit: Bis sich die Lage wieder beruhigt hat, sollten Anleger vorsichtig vorgehen und darauf vorbereitet sein, dass sie bei ihrer Anlagestrategie unter Umständen langfristig weiterhin davon ausgehen müssen, dass die Inflation und Zinsen für einen längeren Zeitraum erhöht bleiben.

Abschließende Überlegungen

Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Kehrtwende der Fed bei ihrer Geldpolitik haben unweigerlich Unternehmen bloßgestellt, die sich nicht auf steigende Zinsen vorbereitet hatten. Genau das passiert gerade, und da nun auch das breitere Finanzsystem in den Strudel gezogen wurde, sollten systemische Risiken nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Das US-Bankensystem ist aber generell robust, insbesondere die großen, gut kapitalisierten Banken, und die US-Regulierungsvorschriften sind auf Insolvenzen von Geschäftsbanken vorbereitet. Die Fed und das US-Finanzministerium dürften meiner Meinung nach entschlossen vorgehen, um ein Worst-Case-Szenario zu verhindern.

Expertin

Nanette Abuhoff Jacobson

Nanette Abuhoff Jacobson

Global Investment and Multi-Asset Strategist